Die Auswirkungen auf Teamrollen und Projektverlauf
In der Welt der individuellen Softwareentwicklung steht eine zentrale strategische Entscheidung häufig am Anfang jedes Projekts: Wie und wo stelle ich mein Projektteam zusammen? Dabei fallen Begriffe wie Inhouse, Nearshoring oder Offshoring. Doch was verbirgt sich konkret dahinter – und wie wirken sich diese Modelle auf die Zusammenarbeit, Rollenverteilung und den Projekterfolg aus?
In diesem Beitrag geben wir einen klaren Überblick, praxisnahe Entscheidungshilfen und zeigen, was Sie als Geschäftsführer oder Projektverantwortlicher wissen sollten.
Begriffsdefinition Inhouse, Nearshoring und Offshoring
Die Auslagerung der Softwareentwicklung (Outsourcing) beschreibt die Abgabe von Entwicklungsaufgaben an externe Dienstleister – unabhängig davon, wo diese sitzen. Sobald die Frage nach dem „Ob“ (ausgelagert oder intern) geklärt ist, stellt sich die Frage nach dem „Wo“. Diese Möglichkeiten gibt es zur Organisation des Teams.
Inhouse-Entwicklung
Bei der Inhouse-Variante erfolgt die Softwareentwicklung komplett im eigenen Unternehmen. Das Team ist direkt angestellt, sitzt vor Ort oder zumindest im gleichen Land, meist auch im gleichen Büro.
Vorteile:
- Volle Kontrolle über Prozesse und Qualität
- Direkte Kommunikation ohne Sprachbarrieren oder Zeitverschiebung
- Starke Einbindung ins Unternehmen und Kulturverständnis
Nachteile:
- Hohe Personalkosten
- Schwierigkeit, qualifiziertes Personal zu finden (IT-Fachkräftemangel)
- Begrenzte Skalierbarkeit bei Engpässen
Farshoring / Offshoring
Beim Farshoring (oft auch Offshoring genannt) wird die Entwicklung an Dienstleister oder eigene Teams in weit entfernte Länder ausgelagert, z. B. nach Indien, Vietnam oder Südamerika.
Vorteile:
- Geringere Kosten pro Stunde
- Gute Skalierbarkeit
- Zugang zu großem Pool an IT-Fachkräften
Nachteile:
- Kommunikationsbarrieren (Sprache, Zeitverschiebung, Kultur)
- Höherer Koordinationsaufwand
- Risiko von Qualitäts- und Sicherheitsproblemen
Nearshoring
Nearshoring ist ein Mittelweg: Die Entwicklung wird in Länder ausgelagert, die geografisch und kulturell näher sind – z. B. Osteuropa (Polen, Bulgarien, Ukraine) für deutsche Unternehmen.
Vorteile:
- Bessere kulturelle und sprachliche Nähe als beim Offshoring
- Günstiger als Inhouse, aber oft besser planbar als Offshoring
- Ähnliche Zeitzonen → einfachere Abstimmung
Nachteile:
- Rechtliche Herausforderungen (z. B. Datenschutz, Arbeitsrecht)
- Eingeschränkte physische Präsenz
- Abhängigkeit vom Dienstleister
Welche Auswirkungen haben diese Modelle auf Teamrollen?
Egal ob Inhouse, Nearshore oder Offshore – die Rollen in Softwareprojekten ändern sich, je nach Modell. Für Sie als Entscheider ist es wichtig, diese Verschiebungen zu verstehen, um Ihre Führungs- und Steuerungsaufgaben entsprechend anzupassen.
Inhouse-Team:
- Product Owner kann direkt aus dem Unternehmen kommen und ist nah am Business
- Projektmanager/Scrum Master häufig intern – hohe Integration
- Entwickler, Designer und Tester arbeiten eng mit Fachabteilungen zusammen
- Stakeholder-Kommunikation ist einfach und direkt
Nearshore-Team:
- Product Owner bleibt meist im Unternehmen → Kommunikationsbrücke zum Entwicklungsteam
- Projektmanager oft beim Dienstleister, braucht hohe Abstimmungskompetenz
- Entwicklerteam arbeitet remote, aber meist mit hoher Prozessqualität
- Regelmäßige Workshops oder Onsites möglich, um Nähe aufzubauen
Offshore-Team:
- Höherer Bedarf an übersetzender Projektführung zwischen Business und Entwicklung
- Doppelte Projektverantwortung (intern + extern)
- Kommunikationsrollen (Business Analysten, Technical Leads) gewinnen an Bedeutung
- Dokumentation und klare Spezifikationen werden erfolgskritisch
Wie beeinflussen die Modelle den Projektverlauf?
Die gewählte Struktur wirkt sich direkt auf Timing, Qualität und Flexibilität aus.
Je nach Modell sollten sich Entscheider auf unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten einstellen. So können beispielsweise Inhouse-Teams sehr schnell auf neue Anforderungen einstellen und auf Probleme reagieren, während die Kommunikationswege beim Offshoring lang sind und ggf. Verfügbarkeiten erstmal geklärt werden müssen. Bezüglich Informationsaustausch profitieren Inhouse-Teams (und somit auch das gesamte Projekt) von einer direkten und reibungslosen Kommunikation.
Kostentechnisch punktet jedoch – aufgrund niedriger Stundensätze – initial das Offshore-Projekt. Doch hier sollte unbedingt der Mehraufwand in Abstimmung und Qualitätssicherung mitkalkuliert werden, sonst kann das scheinbar kostengünstigere Offshoring-Projekt schnell zu einem Geldfresser werden.
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor ist die Skalierbarkeit: Wie schnell und flexibel lässt sich das Team vergrößern oder verkleinern, um auf Projektanforderungen zu reagieren?
Insbesondere in der agilen Softwareentwicklung ist die Flexibilität der Teamstärke ein Erfolgsfaktor, den besonders Entwickler-Unternehmen liefern können, die jederzeit zusätzliche Entwickler bereitstellen. Wer ein eignes Team Inhouse aufbaut, sollte unbedingt damit rechnen, dass die Personalabteilung Zeit braucht, um ggf. geeignete neue Kandidaten zu finden und einzustellen.
Last but not least: das Qualitätsmanagement. Gemeint ist hier, wie gut sich die Qualität der entwickelten Software sicherstellen lässt – was, zugegebenermaßen, ein vielschichtiges Thema ist. Doch auf einige wenige Kernpunkte heruntergebrochen gehören zu entscheidenden Qualitätsfaktoren beispielsweise die Prozessgestaltung und -beschreibung, die Teamstruktur und die Nähe zum Business.
Einmal alles im Überblick:
Faktor | Inhouse | Nearshoring | Offshoring |
---|---|---|---|
Reaktionsgeschwindigkeit | Hoch | Mittel | Gering |
Kommunikation | Direkt & Synchron | Gut synchronisierbar | Asynchron, potenziell schwierig |
Kostenkontrolle | Höhere Fixkosten | Planbare Dienstleister-Kosten | Günstig, aber ggf. unvorhersehbar |
Skalierbarkeit | Eingeschränkt | Gut skalierbar | Sehr gut skalierbar |
Qualitätsmanagement | Intern steuerbar | Abhängig vom Partner | Hohes Monitoring notwendig |
Entscheidungshilfe: Was passt zu Ihrem Unternehmen?
Stellen Sie sich folgende Fragen:
- Wie kritisch ist das Projekt für mein Kerngeschäft?
→ Bei hoher Kritikalität: Eher Inhouse oder erfahrenes Nearshore-Team - Wie wichtig ist schnelle Kommunikation?
→ Wichtig = Inhouse oder Nearshoring
Weniger wichtig = Offshoring möglich - Wie flexibel muss ich skalieren können?
→ Bei Bedarf an schneller Skalierung: Nearshore oder Offshore - Wie viel IT-Kompetenz habe ich intern?
→ Wenig Erfahrung = starke externe Projektführung erforderlich
Nutzen Sie etablierte Strategiemodelle, um die passende Form der Softwareentwicklung zu identifizieren. Beispiele wären:
– Klassische SWOT-Analyse (Betrachtung der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken)
– Decision Matrix (Kombiniert Kriterien, Gewichtung und Bewertung in Tabellenform)
– oder eine einfach ABC-Anaylse.
Es gibt kein Richtig oder Falsch – nur die passende Strategie
Die Entscheidung zwischen Inhouse, Nearshoring und Offshoring ist nicht nur eine Kostenfrage, sondern eine Frage der Projektziele, Risikobereitschaft und Kommunikationskultur. Bei der Entscheidung sollte der Blick nicht nur Richtung Stundensätze gehen, es sollte vielmehr auch auf die Gesamtwirkung auf Prozesse, Rollen und Verantwortung geachtet werden.
Wer langfristig denkt, erkennt: Der Erfolg eines Softwareprojekts hängt maßgeblich davon ab, wie gut die Zusammenarbeit – unabhängig vom Standort – koordiniert wird.